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Freitag, 29. März 2024

Pyramide - ganzheitliche Frühförderung

Praxiserfahrungsbericht aus Sicht der Erzieherinnen nach einem Jahr mit Pyramide

Ein in Deutschland neues Spiel- und Lernkonzept für Kindergartenkinder im Alter von drei bis sechs Jahren, die Pyramide, eröffnet für Kinder, Erzieherinnen und Erzieher sowie Eltern neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Bildungschancen.
Der holländische Schulpädagoge und Psychologe Dr. Jef van Kuyk, führender Mitarbeiter des niederländischen Cito-Instituts, hat sich seit den 80er-Jahren wissenschaftlich mit der Frage beschäftigt, wie man Entwicklungsrückstände bei Kindern möglichst frühzeitig erkennen kann und welche Anregungen Kinder brauchen, um diese Entwicklungsrückstände aufholen zu können.
Dr. Jef van Kuyk hat ein ganzheitliches Bildungskonzept für den Vorschulbereich entwickelt, welches in Holland bereits in über 1.500 Kindertagesstätten und so genannten Basisschulen erfolgreich eingesetzt wird. In Deutschland wurden nun im Rahmen eines Pilotprojekts Erfahrungen gesammelt, die Mut machen.

Etwa sechs Wochen vor dem geplanten Start trafen sich 25 ErzieherInnen zu einer 5-tägigen Schulung. Allein diese Tatsache war für viele von uns schon etwas Besonderes und eine tolle Erfahrung.
Drei praxiserfahrene und sehr fachkompetente Referenten und Referentinnen erläuterten uns zunächst die Grundprinzipien des Konzepts. So die wichtige Haltung zum Kind: einerseits dem Kind soviel Nähe wie nötig zu bieten, anderseits Abstand und Distanz zu wahren, um dem Kind sehr viel Selbstständigkeit zu ermöglichen.
Betont wurde immer wieder, dass jedes Kind ein Recht auf Weiterentwicklung seiner kindlichen Entwicklung hat. Wichtig war hier die Frage, wie wir die Entwicklung jedes einzelnen Kindes optimieren können.
Die Pyramidemethode unterscheidet in Selbstlernprozesse der Kinder und in Programme, bei denen die Initiative der ErzieherInnen im Vordergrund steht. Wir erfuhren viel über die Planung und Ausgestaltung der Spiel- und Lernumgebungen der Kinder. Umso besser die Vorbereitung und Einführung, umso weniger wichtig ist die Rolle der Erziehungskraft. Es bleibt ihr somit mehr Zeit für Beobachtungen.

Wir haben wieder spielen gelernt!

Spielen heißt auch vor allem Spaß haben. ErzieherInnen sollten auch in diesem Punkt Vorbild sein! Sie spielen mit den Kindern gemeinsam, geben Impulse, um sie auf ein höheres Spielniveau zu führen. Häufig bleiben Kinder in einer Spielsituation stecken und wiederholen diese unendlich. Die Möglichkeiten des Spiels und die damit verbundenen Lernerfahrungen sind dann jedoch nicht ausgeschöpft. Ein kleiner Impuls von außen genügt und das Spiel wird in einer neuen Dimension fortgesetzt.
Kinder verarbeiten im Spiel sehr viel Emotionen. Kinder - und auch Erwachsene - sind zufrieden, wenn sie übers Spielen ihre Emotionen ausleben können. Spielen ist gelebte Kreativität. Die Projekte und die so genannten "kursorischen" (Kleingruppen-)Aktivitäten im Pyramideprogramm können nur unter diesem Blickwinkel richtig verstanden werden.
Die Schulung befasste sich mit allen Elementen des Pyramideprogramms, dem Tutoring, den Beobachtungen, den Tests. Alles recht anschaulich in zwei dicken Konzeptordnern zusammengefasst. Drei Monate nach dem Praxisstart fand noch eine zweite Schulungswoche statt, in der dann inzwischen aufgekommene Fragen geklärt werden konnten.

Ein neuer Tagesrhythmus wird eingeführt

Jede Gruppe erhielt am Anfang eine große Kiste mit Entwicklungsmaterialien und Infomaterial zu den Projekten. Die ErzieherInnen packten zum Teil mit den Kindern erwartungsvoll aus. Manche Materialien waren bekannt, manche nicht. "Wofür verwende ich es? Wo wird es im Gruppenraum platziert?" Fragen über Fragen, auf die wir gemeinsam Antworten fanden.
Ein Prinzip des Pyramidekonzeptes ist, für alle acht Entwicklungsbereiche der Kinder Funktionsecken und Arbeitsbereiche bereitzuhalten. So gestalteten wir unserer Räume neu. Eine magnetische Spiel- und Arbeitstafel zeigt all diese Bereiche, mit Symbolen gekennzeichnet, und die Kinder können sich täglich mit ihren Namenskärtchen den Ecken und Funktionsbereichen wie beispielsweise der Kunstecke, Bau- und Konstruktionsecke, Denk- und Rechenecke, Entdeckungsecke oder Haushaltsecke zuordnen.
Das Grundprinzip der Gruppenraumgestaltung bleibt das ganze Jahr über gleich. Die Projektthemen wechseln etwa 9 bis 10 Mal im Jahr. Durch diese Projektinhalte werden zudem themenbezogene Materialien eingeführt.
Im Alltag gibt es feste, immer gleiche Abläufe aber auch wechselnde Aktivitäten. Alles Zusammen wird an Hand von kleinen Schautafeln dargestellt. Diese hängen an einer Art Wäscheleine. Der jeweilige Ablaufpunkt des Tages, zum Beispiel Frühstückszeit, wird mit einem Symbol gekennzeichnet. Durch die Visualisierung des Tagesablaufs können die Kinder in die Zukunft schauen und zurückblicken.
Wir waren neugierig: Wie reagieren die Kinder auf alles Neue? Manches war ihnen bekannt, aber vieles musste neu eingeführt werden. Vorher konnten die Kinder spielen wo und mit wem sie wollten und an jedem Tisch malen. Jetzt gab es einen Maltisch, einen Spieltisch, eine Sprachecke. Soweit es ging, waren die Kinder an der Umgestaltung des Gruppenraums beteiligt. Und siehe da, die Kinder nahmen alles schneller an als wir dachten.
In die Schränke klebten wir die Symbole für die einzelnen Spiel- und Arbeitsmaterialien, die auch auf der Spiel- und Arbeitstafel vorhanden waren. Die dazu passenden Tische wollten wir ebenfalls kennzeichnen, aber nach der Besprechung mit den Kindern erübrigte sich das. Sofort wurden die Ecken von den Kindern in Beschlag genommen.
Besonders unsere jüngeren Kinder profitierten von dieser klaren Strukturierung. Endlich hatten sie einen Überblick über die Möglichkeiten im Gruppenraum. Sie brauchten nicht mehr die Erzieherin zu fragen, wo noch etwas frei sei, sondern konnten selbstständig handeln - ein erster Erfolg.

Die Eltern gewinnen

Elternarbeit war in dieser Zeit sehr gefragt. Natürlich gab es einen Informationsabend am Anfang. Das Konzept wurde von den Eltern positiv aufgenommen. Sie sahen die Förderung ihrer Kinder als wichtig an. Wer kann auch schon etwas dagegen haben, dass "sein" Kind optimal gefördert wird? Einige kritische Stimmen gab es allerdings schon, aber da die Kinder zufrieden waren, viel zu Hause erzählten und auf wundersame Weise sich der Wortschatz bereits nach einigen Wochen erweiterte, waren die Bedenken schnell verflogen.
Besonders die Eltern-Kind-Stunde einmal monatlich, meist morgens, zwischen 8:00 und 9:00 Uhr, bereitete Eltern und Kindern viel Freude.
Mit diesem Element des Pyramideprogramms haben wir die Eltern gewonnen. Eltern, die ansonsten kaum bis gar nicht in den Kindergarten kamen, ließen sich von ihren Kindern die neu gewonnenen Erkenntnisse vorführen und spielten bis zu 45 Minuten mit ihnen in den verschiedenen Ecken und Funktionsbereichen.
Die Kinder übernahmen die Regie! Sie genossen es, zusammen in der Gruppe, mit andern Eltern und anderen Kindern zu spielen und auszuprobieren. Bevor diese Stunde das erste Mal angeboten wurde, waren wir ErzieherInnen sehr aufgeregt. Wie wird das angenommen? Kommen die Eltern überhaupt? - Und wie sie kamen.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Kinder die Eltern mitbringen, ja sie sogar auffordern zu kommen.
Zu Anfang waren die Eltern im Spielverhalten noch sehr zögerlich, aber das legte sich schnell. Sie schauen jetzt schon nach den nächsten Terminen.
Die Beteiligung der Eltern brachte auch materielle Vorteile! Zahlreiche Spenden der Eltern für die Projekte und Materialien wie beispielsweise Computer gingen seitdem bei uns ein.

Evaluation - was ist das?

Oh je! Aufregung entstand im Team - zum Programm gehören auch Tests. Was sind das für Tests? Sind sie zu schwer für die Kinder? Wie gehen die Kinder damit um? Kann man das Wort "Test" überhaupt vor den Kindern aussprechen? Für viele von uns war an dieser Stelle Skepsis angesagt. Vorurteile rasten durch unsere Köpfe - Vergleichstest, Leistungsdruck, Schule im Kindergartendenken, Elternerwartungen usw.
Die Tests am Computer erfolgen 2-mal jährlich. Kinder ab 4 Jahren nehmen daran teil, für die Jüngeren wird der Test auf Papier durchgeführt. Die Eltern müssen hierzu schriftlich ihre Zustimmung geben. Der Datenschutz ist einzubeziehen.
Aber wie gewohnt: Unsere Bedenken waren umsonst. Die Eltern gaben ihre Zustimmung und die Kinder drängelten sich geradezu, um die Tests am Computer machen zu dürfen.
Jedes Kind hatte drei Tests innerhalb von zwei Wochen zu absolvieren, viele Kinder waren enttäuscht als, die Testphase vorbei war. Den Kindern, die noch keine Erfahrung am Computer hatten, halfen wir, in dem wir die Maus führten. Dabei viel es uns besonders schwer, keine Tipps oder Hilfen zu geben, wenn wir sahen, dass die Antwort falsch war. Andere Kinder saßen alleine vor dem Computer und führten den Test durch.
Pünktlich konnten die Disketten dann nach Holland zur Auswertung geschickt werden. Nun warteten wir mit Spannung auf die Testergebnisse.
Ein Monat des Wartens, dann waren sie endlich da. Unsere Kinder hatten ganz gut abgeschnitten. Es gab auch Überraschungen. Wir entdeckten durch die Tests bei Kindern Dinge, die vorher im Alltag nicht aufgefallen waren. Zum Teil waren es positive Erkenntnisse, aber auch Förderbedarf in einzelnen Entwicklungsbereichen.
Der Test brachte uns folgende Vorteile:

  • Wir können unser pädagogisches Handeln und gezielte Hilfestellung dort ansetzen, wo Entwicklungspotential gesehen wird.
  • Wir können unsere eigenen Beobachtungsinstrumente auf Stimmigkeit überprüfen, Abweichungen müssen erklärbar sein.
  • Wir haben eine objektive Basis für ein Entwicklungsgespräch mit Eltern, welches auch und gerade die Stärken betont.

Spiel- und Projektideen

Beim Pyramideprogramm wird das Grundprinzip der Gruppenraumgestaltung immer beibehalten, nur die Themen wechseln. 9 bis 10 Projektthemen werden in einem Jahr ein- und durchgeführt, wobei sich die Ausgestaltung der Ecken und Funktionsbereiche jeweils diesen Themen anpassen.
Die Projekte greifen generative Themen der Kinder und ihrer Umgebung auf, beispielsweise Frühling, Farbe und Form, Raum und Zeit, und beinhalten jeweils eine Reihe von Grundlagen und Wörter, welche die Kinder spielerisch in all ihren Handlungen einüben und wiederholen. Dieser sprachfördernde Aspekt macht den Kindern viel Spaß. Die Inhalte der Projekte sind auf drei Entwicklungsphasen der Kinder zugeschnitten. Die 3- bis 4-Jährigen, die 4- bis 5-Jährigen und die 5- bis 6-Jährigen Kinder werden jeweils mit alters- und entwicklungsgemäßen Differenzierungen angesprochen. Die Spiel- und Projektideen sind sehr praxisnah in Handbüchern beschrieben, wobei es uns ErzieherInnen frei steht, auch weitergehende Materialien und Handlungen situativ einzusetzen.
Die Projektthemen wechselten alle drei bis vier Wochen. Unser erstes Thema "Mein Körper" war bis jetzt das schwerste für uns. Wir mussten uns in die Arbeitsmittel in Form der Projekthefte einlesen. Sie dienen zur systematischen Strukturierung der Themen und sind im Aufbau immer gleich.
Wir hatten zunächst den Anspruch, den gesamten Inhalt aller Hefte mit den Kindern durchzuarbeiten, um allen Kindern gerecht zu werden. Wir mussten aber lernen, nicht in Hektik zu verfallen und unter Druck zu geraten, sondern alles ruhig anzugehen und bewusst eine Auswahl zu treffen, die dem Entwicklungsstand der Kinder in der Gruppe gerecht wurde.
Es fiel sehr schwer, Themen auszugrenzen, aber von Projekt zu Projekt wurden wir routinierter. Wir sammelten vorher schon Materialien für die neuen Themen und die Umgestaltung der Ecken. Den Kindern bieten wir damit neue Erfahrungsbereiche, wecken ihre Neugier und befriedigen ihren Forscherdrang.

"Rote-Punkt-Zeit": Störungen unerwünscht!

Nach einigen Monaten wagten wir uns auch an die Rote-Punkt-Zeit. Was ist das? Wir haben es so genannt, weil in dieser Zeit, etwa für 30 bis 60 Minuten, ein roter Punkt an der Gruppentür hängt, der bedeutet: bitte nicht stören.
Die Gruppe arbeitet intensiv an einem Thema oder die Kinder wählen frei in welchen Ecken sie spielen möchten. Erwachsene, auch Eltern und Kinder anderer Gruppen sind dann unerwünscht, müssen draußen bleiben.
Wir ErzieherInnen haben in dieser Zeit auch die Möglichkeit, intensiv zu beobachten und eventuell das Spiel der Kinder durch einen kurzen Impuls auf ein höheres Niveau zu bringen und zu vertiefen.
Es fiel den Eltern, Küchenfrauen und anderen ErzieherInnen am Anfang schwer, sich an die Rote-Punkt-Zeit zu halten und das Gruppengeschehen nicht zu stören. Diese Zeit ist auch immer noch ein Diskussionspunkt in unseren Dienstbesprechungen. Wie und wann wenden wir diese Zeit an? Dass sie eine ruhigeres, intensiveres Arbeiten mit den Kindern ermöglicht, ist allen klar. Dennoch sind Fragen offen, welche sich aber im Team klären lassen.
Es gibt auch noch den roten Punkt für die Erziehungskraft, den sie sich anheften oder umhängen kann. Damit signalisiert sie, dass sie im Moment, etwa 10 Minuten, nicht gestört werden möchte, weil sie beispielsweise etwas vorbereitet oder beobachtet.

Fazit

Wir arbeiten nun ein Jahr mit Pyramide. Vieles gäbe es noch zu berichten. Wer mehr erfahren möchte, kann sich gerne an uns wenden, unsere Kita steht als Hospitationseinrichtung zur Verfügung.
Im Rahmen einer Auswertung mit allen Pilotkindertagesstätten wurde der Nutzen der Pyramidemethode für die Kinder zusammengefasst, folgende Einschätzungen und Erfahrungen kamen dabei raus:

  • Viele Spielaktivitäten werden neu entdeckt.
  • Kinder werden als eigenständige, eigenverantwortliche Persönlichkeiten systematisch beobachtet und ihr Entwicklungstand regelmäßig überprüft, Stärken und Schwächen werden frühzeitig erkannt.
  • Jedes Kind wird gefördert, unabhängig seiner sozialen Herkunft und seiner körperlich und geistigen Entwicklung.
  • Kinder sind aktiv und ergreifen die Initiative. Kinder lernen selbstständig Entscheidungen zu treffen. Durch die reiche Spiel- und Lernumgebung wird jeweils auf vorhandenes Wissen aufgebaut.
  • Kinder entwickeln eine Lust am Lernen, ein Interesse an Wörtern und Zahlen, an Büchern und an Experimenten.
  • Kinder erleben eine intensive Begegnung mit "Zeit", der Tagesablauf ist für Kinder transparent und nachvollziehbar.
  • Kinder nehmen die Arbeitsmittel gerne an und nutzen die Gestaltungs- und Freiräume.

Bericht von
Harald Engelhard, Dipl.-Päd.
Dagmar Hild, Kitaleiterin
Heike Marx, Erzieherin
Nadine Rogers, Erzieherin

Weitere Informationen und Kontaktaufnahme unter:
Cito - Deutschland GmbH
Angela Gaul
Schlossstrasse 10
35510 Butzbach
Telefon: (0 60 33) 74 63 00
http://www.cito.com
und bei:
Biqu - Agentur für Bildungsfragen und Qualitätsentwicklung in Tageseinrichtungen für Kinder
E-Mail: biqu_engelhard@yahoo.de

(ab)

 
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Letzte inhaltliche Änderung: 30.09.2005

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